Maxima (10/22): Female Finance

Unabhängigkeit muss man sich leisten können und Geld ist immer noch Macht. Umso wichtiger ist es, dass sich Frauen aktiv mit ihren Finanzen auseinander setzen.

Haben Sie schon einmal den Pensionskontorechner der Österreichischen Sozialversicherung bedient? Und, wenn ja: Haben Sie sich dabei gut gefühlt? Sollten Sie eine Frau sein, einige Jahre gearbeitet und zwischendurch vielleicht auch noch Kinder geboren haben, ist das eher unwahrscheinlich. Das belegt auch die Statistik: Frauen erhalten in Österreich etwa 39 Prozent weniger Pension als Männer (in Vorarlberg ist der Unterschied im Bundesländervergleich am extremsten, hier bekommen Frauen fast um die Hälfte weniger Pension). Und das bedeutet eben auch: Etwa 18 Prozent der Frauen über 65 Jahren sind akut armutsgefährdet. Altersarmut – das ist ein Begriff, den man hört und am liebsten ganz schnell wieder verdrängt. Vorsorge – das klingt trocken, ernst und nicht besonders attraktiv. Dabei hat die Auseinandersetzung mit Zahlen und Zinssätzen in erster Linie mit Unabhängigkeit und Selbstwirksamkeit zu tun. Geht es um Macht und Freiheit bleibt Geld nun mal eine wichtige Währung. Aber langsam und der Reihe nach. 

Geld und Freiheit. Einkommensungerechtigkeit ist kompliziert und gar nicht so leicht aufzudröseln. Weil der Gender Pay Gap auf unbezahlte Care-Arbeit trifft.  Weil 44 Prozent der Frauen nicht einmal nach einer Gehaltserhöhung fragen. Weil Frauen erst seit 1957 ein eigenes Bankkonto eröffnen können und vor 1975 ohne Einverständnis des Ehemannes gar nicht arbeiten durften. Weil Sozialisierung ein Hund ist. Eine repräsentative Studie des Forsa-Insitutes kam noch im Vorjahr zu dem Ergebnis das Mädchen zwischen 4 und 13 Jahren um 11 Prozent weniger Taschengeld bekommen als gleichaltrige Jungs. Der Bildungsmythos, dass Mädchen schlechter in Mathe sind, hält sich so hartnäckig, dass er wahr wird: Bei der jährlichen Pisa-Testung schneiden Mädchen in Ländern, in denen dieses Vorurteil gepflegt wird, gravierend schlechter ab als in Ländern, in denen es eher unbekannt ist. Kein Wunder also, wenn es viele Frauen auch heute nicht in Frage stellen, wenn ihr Partner den Überblick über die gemeinsamen Finanzen hat. Die überwiegende Mehrheit ist ohnehin längst aus der Elternzeit in die Teilzeit-Beschäftigung und damit direkt in die finanzielle Abhängigkeit gerutscht. 

Fair aufgeteilt. „Ohne finanzielle Unabhängigkeit kann es keine Emanzipation geben“, sagt die Autorin Mirna Funk. Sie geriet vergangenes Jahr in einen bitter geführten Shitstorm zwischen wortführenden Feministinnen, weil sie die Idee Bezahlung für Care-Arbeit einzufordern grundlegend ablehnt. Ihr neues Buch „Who Cares!“ ist nun sowohl eine Antwort auf diese Auseinandersetzung, als auch – und das vor allem – ein Aufruf. Ein Aufruf dazu, sich nicht länger hinter der Ungerechtigkeit des Systems zu verstecken und es sich in der Haltung der Ablehnung nicht zu bequem zu machen. Dazu, die Dinge selbst in die Hand zu nehmen, das System mit zu gestalten, Verantwortung zu übernehmen. Ganz unabhängig davon, welche Position man in der Care-Arbeits-Debatte nun einnimmt: Funk macht einen wichtigen Punkt, wenn sie schreibt: „Ihr solltet begreifen, dass Geld frei macht und Freiheit glücklich. Dass eure Partner niemals Altersvorsorge sein können und auch nicht sein dürfen. Denn freiheitliche Entscheidungen für das eigene Leben können niemals in Abhängigkeit getroffen werden.“ Und weiter: „Finanzielle Abhängigkeit führt immer auch in eine emotionale und mentale Abhängigkeit, weil Geld ein absolut elementarer Grundpfeiler unseres Leben ist.“ So oder ähnlich hat auch Alice Müller gedacht, als sie in diesem Frühjahr das Gespräch mit ihrem Partner Fabian gesucht hat. Die beiden leben zusammen in Wien, sie haben zwei gemeinsame Kinder. Alice hat die Karenzzeiten übernommen, bevor sie in Teilzeit in ihren Beruf zurück gekehrt ist. Fabian arbeitete durchgehend Vollzeit. So weit, so klassisch. Dabei führen die beiden eine Beziehung auf Augenhöhe, sie teilen sich Haushalt und Carearbeit weitestgehend gerecht auf – trotzdem hatte sich über die Jahre finanziell ganz automatisch eine Schieflage ergeben. „Ich habe den Podcast einer Scheidungsanwältin gehört bei dem es um Eheverträge, aber eben auch um die Verarmung von Frauen in einer Beziehung ging. Das hat mir zu denken gegeben, weil mir erst so richtig aufgefallen ist, dass ich eigentlich zu 100 Prozent von Fabian abhängig bin. Er ist komplett für unsere Finanzen zuständig.“ Das gilt auch für’s sparen. Denn Fabian hat einen finanziellen Vermögensplan für die Familie aufgestellt, als Hauptverdiener zahlt er dabei deutlich mehr ein als Alice, alle Verträge laufen auf seinen Namen. „Und das bedeutet, wenn wir uns trennen, habe ich überhaupt keinen Anspruch auf das Geld – da steht nirgends mein Name“, so Alice. Die beiden unterhielten sich, dachten nach und fanden eine Lösung: Sie regelten notariell, wie die Finanzen im Falle einer Trennung aufgeteilt werden sollten. „Natürlich ist es emotional nicht einfach sich so konkret mit einer möglichen Trennung auseinander zu setzen, aber es gibt nun mal keine Garantie dafür, dass eine Beziehung für immer hält, auch, wenn wir uns das natürlich wünschen. Und ich bin einfach der Meinung, dass mir die Hälfte des Geldes zusteht. Es war ja auch unsere gemeinsame Entscheidung, dass ich weniger arbeite.“

Kassasturz. Dadurch, dass Alice sich gemeinsam mit Fabian die finanziellen Abhängigkeiten innerhalb der Beziehung bewusst gemacht und aktiv ein für sie gerechteres Modell gestaltet hat, ist sie einen entscheidenden Schritt weiter als viele Frauen, die zu Larissa Kravitz kommen. Die Finanzmathematikerin und ehemalige Aktienhändlerin berät mit ihrem Unternehmen „Investorella“ gezielt Frauen in Gelddingen. „Das größte Problem ist die Hemmschwelle ins Tun zu kommen.“ Kravitz geht es vor allem darum, Frauen dazu zu ermutigen selbst zu investieren, sich mit Aktien, Fonds & Co auseinander zu setzen und Männern in Gelddingen nicht automatisch die Deutungshoheit zu überlassen: „Das wichtigste ist, sich mit dem Risiko auseinandersetzen und es nicht zu verdrängen. Ich treffe immer wieder Frauen die sich überwältigt fühlen und sich aber nicht trauen das Thema anzugehen. Es ist oft emotional schmerzhaft über’s Altern nachzudenken, oder darüber, dass die Beziehung vielleicht nicht ewig halten wird, auch wenn das statistisch gesehen nicht unwahrscheinlich ist.“ Ist dieser Groschen gefallen, bleibt immer noch die Frage nach dem Wie: Wie fange ich an? Wie sorge ich konkret vor? „Die erste Frage, die man sich stellen sollte ist, wo man im Alter wohnen wird. Um ein Finanzpolster oder ein Vermögen aufzubauen ist es enorm wichtig sich damit auseinandersetzen, wie man sein Einkommen maximieren kann und welcher Konsum unnötig ist. Das Geld, das man beim Konsum einspart, sollte man dann langfristig investieren um im Alter ein Zusatzeinkommen zu haben“, sagt Kravitz. Es geht also zunächst vor allem darum sich einen Überblick zu verschaffen. Welche Einnahmen stehen zur Verfügung, welche Ausgaben sind zu tätigen und ist es möglich diesen Standard alleine zu halten? Nicht selten, wird dieser Kassasturz Druck auf der Brust auslösen – Schockstarre ist dennoch keine Lösung. 

Der Finanzmarkt ist keine geheime Wissenschaft. Auch Mirna Funk fand erst relativ spät zu einem sicheren Umgang mit Geld. Nachdem sie 20 Jahre als Kellnerin, im Marketing, später als Schriftstellerin und Autorin gearbeitet hatte und am Ende des Monats dennoch nie Geld überblieb, kam sie nach der Geburt ihrer Tochter mit Ende 30 an den Punkt das Thema Finanzen ernsthaft anzugehen. Sie besuchte einen Finanzworkshop und postete noch aus dem Seminarraum heraus: „Hätte ich dieselbe Zeit statt in das Analysieren irgendwelcher WhatsApp-Nachrichten unwichtiger Boys ins Investieren gesteckt, stünde ich finanziell echt wo anders“. Innerhalb von Minuten ging das Statement viral. Was Funk, die heute vor allem in Kunst und Aktien investiert hat, seither weiß und auch Kravitz in ihren Workshops vermitteln möchte: ETF’s, Fonds oder Bitcoins – der Finanzmarkt ist keine geheime Wissenschaft, das nötige Knowhow lässt sich leicht aneignen. Und: Man muss nicht erst Geld haben, um zu investieren. Kravitz: „Auch mit kleinen Summen lässt sich auf lange Sicht ein Vermögen aufbauen, weil der Zinseszinseffekt greift. Außerdem ist es wichtig sich die Gewohnheit anzueignen, jedes Monat etwas für die Zukunft zur Seite zu legen.“ 

Ach, und apropos Pensionskontorechner: Eltern können für die Jahre der Kindererziehung in Österreich ein freiwilliges Pensionssplitting vereinbaren, dabei werden Teilgutschriften vom Pensionskonto des hauptsächlich erwerbstätigen Elternteil auf jenes des hauptsächlich erziehenden Elternteils überschrieben. Diese Möglichkeit wird verhältnismäßig selten genutzt. Vielleicht gar kein schlechtes Thema für das nächste Beziehungsgespräch.

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