Spielen ist entdecken, probieren, verstehen. Gutes Spielzeugdesign macht die Welt für Kinder nicht nur schöner, sondern auch besser begreifbar.
Stapeln und Stupsen. Werfen und Wiegen. Experimentieren und Handeln. Es heißt, das Spiel ist die Arbeit des Kindes. Und tatsächlich: Im Spiel fallen Kinder in einen Zustand zerstreuter Konzentration, der bemerkenswert ist. Automatisch nähern sie sich dabei physikalischen Grundkonzepten an (schütten, werfen, fallen), konstruieren und entwerfen, kreieren eigenständige Spielwelten und üben in ausgeklügelten Rollenspielen schließlich die sozialen Skipts ihrer Umgebung. Spielen ist identitätsstiftend, spielen bildet. „Spielen ist Leben lernen“, geht Karin Schmidt-Ruhland noch einen Schritt weiter. „Mit einem guten Spielzeug kann ein Kind aktiv werden und seine Fähigkeiten ausprobieren. Es kann den Gegenstand fühlen, sein Material spüren, sehen, riechen, seine Gestalt wahrnehmen und interpretieren.“ Schmidt-Ruhland ist Professorin für Spiel- und Lerndesign an der Burg Giebichenstein Kunsthochschule in Halle. Es ist das einzige Studium dieser Art in Europa und so sind es in der Regel auch ihre Absolventen, die Neuheiten für Hersteller wie Ravensburger, Mattel, Haba und Revell entwickeln.
Forschungslabor Kita. Weil Design immer auch ein Ausloten von Problemen ist, die Kinderperspektive für den Designer aber nicht eindeutig einnehmbar ist, wurde an der Kunstuni kurzerhand ein recht ungewöhnliches Forschungslabor eingerichtet: eine Kita nämlich. 50 Kinder arbeiten sich hier wie nebenbei an den Prototypen ab, geben knallhartes Feedback und stiften Ideen. Während die Studenten beobachten, auf Augenhöhe gehen und Bedürfnisse ausloten, um darauf wiederum gestalterisch Antworten zu formulieren. „Die Kita ist toll. Mein Lehranspruch ist nutzerorientiert und dabei geht es eben vor allem darum Probleme zunächst sichtbar zu machen, die der Gestalter dann löst. In der Kita können unsere Studenten nun mitspielen, beobachten und die Prototypen werden auf Herz und Nieren geprüft.“ Design ist ohnehin immer interdisziplinär, geht es um Spielzeug sind es vor allem die Bereiche Pädagogik, Psychologie und Didaktik, die nahtlos mit einfließen. Die Ausbildung dieser „Bezugskompetenzen“ hat an der Burg Giebichenstein einen hohen Stellenwert. Denn gerade, weil Kinder sich im Spiel eine Idee von der Welt machen, „ist die Gestaltung von Spielprodukten eine verantwortungsvolle Aufgabe“, sagt Schmidt-Ruhland. Im Gespräch mit der Designerin gibt es dann auch einen Begriff, der immer wieder fällt – er lautet Freiheit. Weil gutes Spielzeug nicht beschränkt, sondern Möglichkeiten aufzeigt, Anreize schafft. „Spielprodukte sollten eine große Interpretationsmöglichkeit bieten.“
Ein Ding, tausend Spiele. Gutes Spielzeug ist immer ein Angebot, nie eine Handlungsanweisung. Nach diesem Konzept lässt sich wohl auch Bilibo, ein Entwurf des Schweizer Designers Alex Hochstrasser, am besten verstehen. Bilibo ist knallbunt, kugelig, aus Kunststoff gefertigt, erinnert an eine Art Stuhl ohne Beine – eine Spielschale. Bilibo ist enorm erfolgreich, wurde mit zahlreichen Preisen bedacht und war auch schon im New Yorker Moma ausgestellt. Das hat vor allem zwei Gründe: Es taugt zu allem und nichts und antwortet gleichzeitig auf eine typische Problemstellung der Zeit: Der Reibungsfläche von kindlichem Bewegungsdrang und städtischem Leben, das in der Regel drinnen stattfindet. „Bilibo soll Neugier wecken und Kinder dazu inspirieren sich eigene Spiele auszudenken. Es geht darum, dass die Kinder zu ihren eigenen Erfindern und Erzählern werden“, sagt Hochstrasser, den bei der Entwicklung seiner bunten Spielschale vor allem auch der kindliche Umgang mit Alltagsgegenständen inspiriert hat, etwa Sessel und Umzugskartons. Und so lädt Bilibo nun zum kreiseln, schaukeln und rutschen ein, genauso wie zum bauen und sortieren. Es soll dabei nicht zuletzt augenzwinkernde Alternative zu klassischem Holzspielzeug sein, das in der Regel einen pädagogischen Ansatz verfolgt, Hochstrasser jedenfalls oft zu „dogmatisch“ ist. Spielen muss schon Spaß machen.
Der Baustein, ein Klassiker. Trotzdem ist Holz im Bereich hochwertigen Spielzeugs nach wie vor Werkstoff Nummer 1. Und der klassische Baustein – Keimzelle von Konstruktion und Architektur – dabei das Objekt an dem sich Designer besonders gern abarbeiten. Quadratisch, rechteckig, asymmetrisch, schwer oder leicht, hoch oder niedrig: Generationen von Spielzeugkonstrukteuren haben sich bereits auf die Suche nach dem perfekten Holzstein gemacht. Christian Lessing ist einer von ihnen. Inspiriert von Da Vincis Brücke ohne Mörtel besteht sein „Mauersack“ aus 40 schiefen Steinen, die sich mit Geschicklichkeit und ein wenig Gespür für Statik mauerartig ineinander verkeilen und anordnen lassen. Nachwuchsdesignerin Lena Mühl – auch sie studierte bei Schmidt-Ruhland – fiel bei der Spielzeugmesse in Nürnberg wiederum mit ihren „VogelVaus“ auf – dabei werden sympathische tierische Steine in V- und Vogel-Form verbaut. Und auch Christoph Groetsch hat sich an einer neuen Formgebung versucht. Für seine Manufaktur „Formknall“ konstruierte er die wabenförmigen „Hotz“-Klötze. Auch hierzulande gibt es Bewegung im Baustein-Segment. Eine Materialinnovation brachte etwa die Bioblo-Gründer dazu ein komplett neues Bausteinsystem zu entwickeln, das mittlerweile in ganz Europa vertrieben wird. Bio-Fasal nennt sich das und besteht aus Holz (60 Prozent) und upgecycleten Plastikbechern (40 Prozent). Wie bei Groetsch ist es der Blick in die Natur hin zu den Bienen, der die Formgebung bestimmt: „Waben sind besonders stabil bei gleichzeitiger Materialeffizienz“, erklärt Bioblo-Geschäftsführer Stefan Friedrich. Farbliche Vielfalt ist Teil des Konzepts: „Damit kann man einfach alles bauen – Tiere, Schiffe, Festungen. Die extremsten Bauprojekte setzen dabei oft die Väter um“, so Friedrich. Das ist gut, immerhin machen Kinder nach, was sie sehen, lernen in dem sie sich ein Beispiel nehmen. „Wir konditionieren die Kinder, geben unsere Lebensentwürfe an sie weiter“, sagt etwa Schmidt-Ruhland. Erwachsene können es sich auf dem Spielteppich ruhig bequem machen.