hello familiii (08/18): Neue deutsche Kinderwelle

Musik für Kinder kann auch Eltern Spaß machen. Immer mehr Musiker machen es sich zur Aufgabe den schlechten Ruf des Kinderliedes zu retten. Das klingt nach Punk Rock, Pop oder Hip Hop, vor allem aber gar nicht kindisch.

Mit der Geburt eines Kindes, verändert sich der eigene Kosmos. Ganz automatisch vollzieht sich ein Perspektivenwechsel – und das ist gar nicht schlimm, kann fallweise trotzdem ziemlich gefährlich werden. Etwa, wenn man sich der klein- kindlichen Unterhaltung annimmt und hoffnungsfroh „die besten Kinderlieder“ auf Youtube sucht. Unweigerlich tut sich dann nämlich eine Welt des Schreckens auf. Und die hat mit Umtata und Gute-Laune-Terror zu tun, mit dauergrin senden Onkels an der Gitarre und Zahnputzsongs mit Technobeat.

Musik für Kinder ist ein vernachlässigtes Genre und das ist freundlich formu liert. Dabei muss das nicht so sein, so hat „Family Music“ im angelsächsischen Raum eine lange Tradition und die Grammys widmen dem Genre immerhin eine eigene Kategorie („Best Childrens Album“). In jüngster Zeit bricht die Welt des Kinderlieds nun zum Glück auch im deutschsprachigen Raum langsam auf. Der Grund dafür lautet Notwehr. „Ich hätte mich nie mit dem Thema beschäftigt. Bis ich selbst Vater wurde und mich persönlich angegriffen fühlte. Da musste ich mich wehren“, erzählt etwa Kai Lüftner, der sein Handwerk zunächst in einer Ska-Rockband gelernt hat, bevor er Vater wurde und schließlich das Rotz‘n‘Roll-Universum schuf. Drei Platten, zehn Bücher und jede Menge Merchandise umfasst diese Welt mittlerweile, zum Rotz‘n Roll Open Air in Berlin vor wenigen Wochen kamen immerhin 10.000 Besucher. Zahlen, die zeigen, dass der Bedarf an ernstgemeinter Unterhaltung für Kinder riesengroß ist, nicht zuletzt auch von Seiten der Eltern.

Musik auf Augenhöhe.

„Es ist ja immer jemand dabei, der auch zuhören muss. Schon allein deswegen
finde ich es wahnsinnig nervig, dass das immer getrennt wird und Kinderunterhaltung immer irgendwie Humptydumpty sein kann“, sagt Matthäus Bär, der hierzulande so etwas wie der Retter des guten Geschmacks in Sachen Kindermusik ist. „Es geht mir vor allem darum Stimmungen zu transportieren. Die Gefühlslagen sind doch bei Kindern und Erwachsenen ziemlich ähnlich – es geht immer darum Songs zu machen, die diese Gefühle auch transportieren.“

Freiheits- und Protestmusik.

Will man seine Zielgruppe ernst nehmen, so darf man sie nicht mit billigen Beats abspeisen und schon gar nicht mit eindimensionalen Inhalten, ist Bär überzeugt: „Es geht viel um Emotionen. Kinder sind ja auch manchmal einfach traurig, deswegen kommt auf die nächste Platte etwa auch ein Depressionssong. In der herkömmlichen Kindermusik ist nicht so viel Platz für die Gefühle dazwischen. Die gehen da über den Regenbogen.“ Egal ob Hip Hop (Deine Freunde), Beatbox und Reggae (Muckemacher) oder Gitarrenpop (Bummelkasten) – was alle Protagonisten dieser Neuen Deutschen Kinderwelle verbindet, ist, dass sie den Kindern auf Augenhöhe begegnen und ernsthaft versuchen sich in ihre Lebenswelt hineinzuversetzen. Dabei ziehen sich gewisse Motiv-Stränge quer durch das Genre. Neben allerlei Tier-Geschichten, geht es da ums Aufbleiben und Angeben, ums Eisessen und Zeit-einfordern. Und vor allem: Ums Nein-Sagen. Ein Hauch von Protestmusik kommt auch von Gisbert von Knypshausen („Immer muss ich alles sollen“ vom Kinderlied-Sampler „Unter meinem Bett“) oder der Wiener Liedermacherin Suli Puschban, deren aktuelles Album „Ich hab die Schnauze voll von rosa“ auch ein Aufschrei gegen die grassierende „Pinkifizierung“ ist.

„Wir wollen Kindermusik so aufnehmen, dass sie beim ersten Hören nicht so sehr nach Kindermusik klingt – tanzbar, zum mitgrooven und singen, anspruchsvoll produziert“, erzählen Muckemacher, die selbst schon lange Musiker waren, bevor sie Eltern wurden. Ein Vorsatz, der ihnen und einer ganzen Reihe ihrer Kollegen gelingt. So gut, dass mittlerweile immer mehr Eltern Kinderlieder hören – freiwilllig – und manchmal sogar ohne ihre Kinder.

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